Wie realistisch ist Agri-PV als Beitrag zur Energiewende?

Und was ist mit der Agri-Photovoltaik, die angeblich Landwirtschaft beziehungsweise Obst-und Gartenbau und Energiegewinnung so praktisch miteinander kombiniert und zusätzliches Einkommen aus dem Stromertrag verspricht? Von „Doppelnutzen“ ist da die Rede. Die Anbieter von Agri-Photovoltaik (beispielsweise next2sun und Agrosolar) wissen die Varianten in bunten Grafiken gut zu präsentieren. Der Clou bei den Agri-PV-Varianten ist, dass landwirtschaftliche Fahrzeuge unter aufgeständerten Modulen oder neben Solarzaun-Reihen fahren können. Einen großen Vorteil hat Agri-PV gegenüber der normalen Freiflächen-Photovoltaik für Landwirte schon; die Flächen zählen nämlich weiter als landwirtschaftliche Nutzfläche (wenn mindestens 85 Prozent so genutzt werden) und werden steuerlich nicht als eigenes Unternehmen eingestuft. Diese Flächen behalten also ihren landwirtschaftlichen Status. Das ist auch relevant, wenn es ums Vererben geht.

Agri-PV in der Praxis
Doch ich melde Bedenken an – bei den hoch aufgeständerten Modulen genauso wie bei den vertikal wie ein Zaun aufgebauten bifazialen Modulen. Wenn die Werbeversprechen zuträfen, müssten beispielsweise Beerenobstbauern schon längst Agri-PV auf ihren Erdbeerfeldern aufgestellt haben. Die Systeme sind ja schon seit einigen Jahren auf dem Markt. Tatsache ist, dass erst sehr wenige Agri-PV-Projekte in die Praxis umgesetzt wurden. Vieles verharrt im Stadium des Modellprojekts. Auf Nachfrage konnten mir die Anbieter kein verwirklichtes Projekt in für mich erreichbarer Nähe nennen. Abgesehen von finanziellen Erwägungen – hohe Investitionskosten, lange Abschreibungszeiten etc. – zögern Obstanbauer womöglich wegen pflanzenbaulicher Überlegungen. Den Werbeversprechen zufolge schützen aufgeständerte PV-Module Kulturpflanzen vor übermäßiger Sonneneinstrahlung, Starkregen und Hagelschlag. Das mag in manchen Jahren Vorteile bringen; auf einige Kulturpflanzen und den Bodenbewuchs wirkt sich der Schattenwurf durch die Module jedoch negativ aus. Ein Obstbauer merkt beispielsweise an, dass Birnen keinerlei Beschattung vertragen; sie blühen und fruchten dann nicht.

Agri-PV und die Fruchtfolge
Obstbauern zögern womöglich auch deswegen mit dem Aufstellen einer Agri-PV-Anlage, weil sie die Fruchtfolge erschwert. Dazu muss man wissen, dass landwirtschaftlicher Pflanzenbau immer mit einer Fruchtfolge verbunden ist. Auf normalen Äckern wechselt jedes Jahr die Kultur; nur Feldfutter bleibt ein paar Jahre stehen. Die Fruchtfolgeregel gilt auch für Obst- und Gemüsekulturen. Obstgehölze werden alle paar Jahre gerodet – Erdbeeren rasch nach zwei bis drei Jahren, Beerenobst und Spindelobstbäume stehen ein paar Jahre länger. Oft tauschen Obstbauern ihre Flächen mit anderen Landwirten, um den nötigen Fruchtfolgeabstand der Kulturen einhalten zu können. Flächentausch von Landwirten untereinander wäre mit Agri-PV kaum noch praktikabel. Die Solarbedachung lässt sich nun einmal nicht von Feld zu Feld versetzen, sie ist statisch, und das mindestens zwei Jahrzehnte lang. Eine vernünftige
Fruchtfolge ließe sich so kaum noch planen. bb

Kategorie: Allgemein
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